Hochsensibilität

Der eigene Koffer wird zur Herausforderung

Menschen, die mit einem Nervensystem ausgestattet sind, welches sehr fein auf innere und äußere Reize reagiert, nennt man hochsensibel oder hochsensitiv. In der Fachliteratur hat sich dafür die Abkürzung HSP (highly sensitive person) eingebürgert. Forschungsergebnisse belegen, dass etwa 15 bis 20% aller Menschen hochsensibel sind. Erforscht wurde das Phänomen erstmals 1997 von der amerikanischen Psychologin Elaine N. Aron und hat Studien zufolge neurologische Ursachen.

(Quelle: Elaine N. Aron, "Sind Sie hochsensibel? Wie Sie Ihre Empfindsamkeit erkennen, verstehen und nutzen", München 2005.)

Die Flöhe husten hören

Haben Sie als Kind auch schon das Gras wachsen gehört oder die Flöhe husten?

Hochsensible Menschen nehmen ihre Umwelt und sich selbst differenzierter wahr. Das bedeutet, sie empfangen mehr Sinnesreize aus der Außenwelt und haben gleichzeitig mehr innere Reize wie z. B. Gedanken, Gefühle oder Erinnerungen zu verarbeiten. Sie können sich beispielsweise genau erinnern, wie ein Raum eingerichtet war, auch wenn sie ihn nur kurz wahrgenommen haben, sie hören Geräusche intensiver, ihre Nase reagiert möglicherweise sensibler auf Gerüche und sie haben ein feines Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen.

Hochsensibilität ist keine Krankheit, sondern eine große Stärke. Gleichzeitig kann es jedoch passieren, dass hochsensible Menschen schneller reizüberflutet sind. Ich selbst fand die Erklärung für meine immer funkenden Antennen, die vielen Leidenschaften und Hochzeiten, auf denen ich tanzte in meiner Ausbildung als Entspannungstrainerin bei Prof. Dr. Gerd Kaluza. Eine Testung belegte die Vermutung: Ich bin hochsensitiv. Ich begann meinen „Makel“ für mich zu akzeptieren und zu nutzen. Nicht mehr erklären zu müssen, dass ich vielleicht weniger belastbar sei, sondern einfach nur mehr bzw. andere Pausen benötigte entspannte mich ungemein. Gleichzeitig begann ich Menschen aufzuspüren, denen ebenfalls die Zwischenwände fehlten, um sie dabei zu unterstützen, sich mit der eigenen Hochsensitivität auseinander zu setzen. 

Brauche ich als hochsensibler Mensch Beratung oder gar eine Therapie?

Als hochsensibler Mensch kennen Sie vermutlich Situationen, in denen es Ihnen einfach zu viel wird und Ihre Empfindungen Sie zu überwältigen drohen. Vielleicht nehmen Sie sich auch als besonders dünnhäutig und wenig belastbar wahr und werten sich deswegen ab. Eventuell wurde Ihnen auch schon in der Kindheit vermittelt, Sie seien schüchtern oder überempfindlich. In der Schule fielen Sie vielleicht dadurch auf, dass Sie den Unterricht störten – eine Möglichkeit, um der Reizüberflutung nicht mehr länger ausgeliefert zu sein – vor der Tür stehen war einfach besser auszuhalten.

Hochsensible Menschen verfügen oft über erstaunliche Fähigkeiten zur Selbsthilfe, dennoch kann es sinnvoll sein, sich begleiten zu lassen, wenn Sie beispielsweise Ihr inneres Gleichgewicht verloren haben oder schwierige Themen bewältigen müssen. Hochsensible Menschen können auch auf seelische Leiden stärker reagieren, deshalb ist es hilfreich, in der Therapie und Beratung auf ihre Bedürfnisse einzugehen und zu wissen, dass Hochsensible Erlebnisse anders verarbeiten.

Mit welchen Themen kommen Hochsensible Menschen in die Praxis?

Grundsätzlich mit ähnlichen Themen, die auch in der Arbeit mit nicht hochsensiblen Klienten und Patienten vorkommen. Der Umgang mit Stress, Überreizung, Erschöpfung und Hochsensitivität begegnet mir in der Praxis besonders häufig. Aber auch die Stärken der Hochsensibilität im Alltag und im Beruf zu erkennen, können Themen sein, die es anzuschauen lohnt. Nähe und Grenzen in Beziehungen im Kontext von Hochsensibilität zu betrachten ist ebenfalls häufig ein Thema ebenso wie die Bewältigung von psychischen Störungen bzw. Erkrankungen als hochsensibler Mensch.